Fällt bei der Eigenversorgung die volle EEG-Umlage an, wenn die PV-Anlage auf einem Nachbargrundstück betrieben wird?

Nein, nicht zwangsläufig. Zwar ist die Eigenversorgung nach dem EEG grundsätzlich nur dann privilegiert, wenn Erzeugung und Verbrauch in einem „unmittelbar räumlichen Zusammenhang“ stehen. Der unmittelbar räumliche Zusammenhang endet jedoch nicht immer automatisch an der Grundstücksgrenze. Vielmehr kommt es auf die näheren Umstände des Einzelfalls an.

Privilegierte Eigenversorgung

Die EEG-Umlage fällt grundsätzlich bei jeder Stromlieferung an einen Letztverbraucher an (vgl. § 60 Abs. 1 EEG). Anknüpfungspunkt für die EEG-Umlage ist also eine Lieferbeziehung zwischen Erzeuger und Letztverbraucher. Die Höhe der EEG-Umlage wird jährlich neu von den Übertragungsnetzbetreibern bestimmt. Derzeit beträgt die EEG-Umlage regulär 6,756 Ct/kWh (Stand: Juli 2020).

Strom, der nicht „geliefert“, sondern selbst erzeugt wurde, unterlag bis 2014 dagegen nicht der EEG-Umlage. In 2014 wurde das EEG allerdings dahingehend geändert, dass nunmehr auch für selbst erzeugten Strom – „Eigenversorgung“ – grundsätzlich EEG-Umlage zu zahlen ist (vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 1 EEG).

Es gibt jedoch bestimmte Ausnahmen. Insbesondere sind kleine Anlagen mit einer Leistung von weniger als 10 kWp von der EEG-Umlage grundsätzlich befreit (vgl. § 61a Nr. 4 EEG). Eine Erleichterung bringt zudem die Regelung des § 61b EEG. Demnach sind bei einer Eigenversorgung aus einer EEG-Anlage (zu denen auch PV-Anlagen gehören) nur 40 %, statt der sonst gelten­den 100 % EEG-Umlage zu zahlen. Bei einer Eigenversorgung aus einer PV-Anlage, die mehr als 10 kWp installierte Leistung hat, ist daher in der Regel „nur“ eine reduzierte EEG-Umlage in Höhe von 2,702 Ct/kWh zu zahlen – ein Ersparnis von 4,053 Ct/kWh gegenüber der regulären EEG-Umlage.

Voraussetzung der Eigenversorgung

Voraussetzung für die reduzierte EEG-Umlage ist jedoch, dass es sich dem betreffenden Strom tatsächlich um eine „Eigenversorgung“ im Sinne des EEG handelt. Was das EEG unter „Eigenversorgung“ versteht, wird in § 3 Nr. 19 EEG definiert. Dort heißt es:

„‚Eigenversorgung‘ [ist] der Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhangmit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht, wenn der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und diese Person die Stromerzeugungsanlage selbst betreibt“.

(§ 3 Nr. 19 EEG)

Damit die Anlagenbetreiberin in den Genuss der 40-Prozent-Regelung kommt, müssen also im Wesentlichen drei Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Betrieb der PV-Anlage und Verbrauch des PV-Stroms muss durch ein und dieselbe Person erfolgen (Merkmal der Personen­­identität). Betreiber und Verbraucher müssen tatsächlich 100 % identisch sein; schon der Betrieb durch eine Tochtergesellschaft oder ähnliches wäre insoweit schädlich.
  • Der PV-Strom muss ohne Nutzung des öffentlichen Netzes von der PV-Anlage zur Verbrauchseinrichtung gelangen. Das heißt: Die PV-Anlage muss so in die Kundenanlage des Solaranlagenbetreibers eingebunden sein, dass der PV-Strom die Kundenanlage nicht verlässt.
  • Der Betrieb der PV-Anlage muss „im unmittelbaren räum­lichen Zusammenhang“ erfolgen. 

Was noch als „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang“ gilt, sagt das EEG allerdings nicht. Daher ist hier eine Auslegung des Gesetzes erforderlich, ob der „unmittelbar räumliche Zusammenhang“ automatisch an der Grundstücksgrenze endet oder nicht.

Kriterien für einen „unmittelbar räumlichen Zusammenhang“

Weder aus dem Gesetz selbst, noch aus der Rechtsprechung zum EEG ergeben sich insoweit absolute Kriterien. Eine gewisse Orientierung gibt allerdings der von der Bundes­netz­agentur veröffentlichter „Leitfaden zur Eigenversorgung“. Dieser Leitfaden hat zwar für sich betrachtet keine Gesetzesqualität. In der Praxis kommt diesem Leitfaden jedoch eine erhebliche Bedeutung zu, weil sich die Netzbetreiber regelmäßig auf ihn berufen.

Bezogen auf die hier zu beantwortende Frage sind insbesondere die Ausführungen auf Seite 36 des „Leitfadens zur Eigenversorgung“ relevant. Zusam­men­gefasst heißt es dort:

  • Es gibt keine starren Kriterien. Entscheidend ist vielmehr, ob es eine „qualifizierte räumlich-funktionale Nähe-Beziehung“ gibt.
  • Die räumliche Nähe darf nicht durch störende Elemente unter­brochen werden. Das können beispielsweise öffentliche Straßen oder Schienen oder auch ein Wald sein.
  • Doch selbst in diesem Fall kann es sein, dass die Unter­brechung durch anderweitige Elemente wieder überwunden wird.
  • Die Erzeugung und der Verbrauch auf ein und demselben Grundstück ist zwar der „typische“ Fall der Eigenversorgung. Jedoch kann die „räumlich-funktionale Nähe-Beziehung“ auch über verschiedene Grundstücke hinweg gegeben sein.

Eine eindeutige Antwort, wo der „unmittelbar räumliche Zusammenhang“ endet, gibt es also nicht. Die Entfernung der PV-Anlage zum Gebäude oder die Eigentumsverhältnisse an den betreffenden Grundstücken sind für sich betrachtet jedenfalls nicht entscheidend. Viel­mehr bedarf es jeweils eine Beurteilung des Einzelfalles im Wege einer Gesamtschau verschiedener Kriterien.Dabei kommt vor allem dem tatsächlichen funktionalen Zusammenhang eine gesteigerte Bedeutung zu. Ist dieser funktionale Zusammenhang ohne Weiteres nach außen erkennbar, endet der „unmittelbar räumliche Zusammenhang“, den das EEG für eine privilegierte Eigenversorgung verlang, nicht zwangsläufig an der Grundstücksgrenze. Dann kann auch die Eigenversorgung aus einer PV-Anlage, die sich auf dem Nachbargrundstück befindet, in den Genuss der 40-Prozent-Regelung kommen.

Rechtsanwalt Sebastian Lange

Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen und bundesweit tätigen PROJEKTKANZLEI. Er hat sich wie kaum ein anderer Anwalt auf Photovoltaikanlagen spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung in der juristischen Begleitung von PV-Projeken. Rechtsanwalt Lange ist zudem Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e.V.


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