Größer als gedacht: Netzbetreiber fordern EEG-Vergütung zurück

Das Marktstammdatenregister hat es zu Tage gefördert: Viele Solaranlagen sind eigentlich größer als bislang angenommen – jedenfalls wenn es nach den Verklammerungsregelungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) geht. Demnach sind mehrere Anlagen unter bestimmten Umständen nämlich als eine Anlage zu betrachten. Das kann fatale Folgen haben. Überschreitet die Anlage bestimmte Schwellenwerte, gelten mitunter andere Anforderungen. Und sind diese Anforderungen nicht erfüllt, besteht möglicherweise kein Anspruch auf EEG-Vergütung. Netzbetreiber fordern die betroffenen Anlagenbetreiber daher nun auf, die EEG-Vergütung der letzten Jahre zurückzuzahlen.

Böse Überraschung

Da war der Betreiber einer Solaranlagen im Rheinland baff: Die Netzbetreiberin – nennen wir sie beim Namen: die Westnetz – kündigte mit einem nüchtern daherkommenden Schreiben an, EEG-Vergütung zurückfordern zu müssen. Eine Überprüfung hätte ergeben, dass die betreffende Anlage entgegen der bisherigen Praxis mit einer weiteren Anlage zusammen zu fassen sei.

„Woher hätte ich das wissen sollen. Ich wusste bislang gar nicht, dass es eine weitere PV-Anlage auf dem Grundstück gibt.“ Denn die Anlage, die aus der Sicht der Netzbetreiberin größer sein soll, als bislang angenommen, befindet sich auf dem Dach eines Gymnasiums. Der Anlagenbetreiber hat die Dachfläche von der Stadt gemietet. Die fremde Anlage, die nun mit der Anlage auf dem Gymnasium verklammert werden soll, befindet sich zwei Gebäude weiter und wurde erst später errichtet.

Die Rückforderung der Westnetz ließ indes nicht lange auf sich warten. Die Westnetz hat die Jahre 2019 und 2020 neu abgerechnet. Insgesamt rund 95.000 € Euro verlangt sie nun zurück.

Größere Anlagen – höhere Anforderungen

So wie ihm geht es leider vielen Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreibern. Einige Netzbetreiber haben nur darauf gewartet, dass die Übergangsfrist des Marktstammdatenregisters endet. Nun, da alle Solaranlagen auch im Marktstammdatenregister registriert sein müssen, werden sämtliche Daten systematisch überprüft, ob sich nicht der ein oder andere Fehler finden lässt.

Und tatsächlich tritt einiges zu Tage: Mal geht es um fehlende Funkrundsteuerempfänger (FRE), mal um die sogenannte registrierte Lastgangmessung (RLM-Zähler). Oder es wird plötzlich bemängelt, dass mehrere Solaranlagen über einen gemeinsamen Zähler gemessen werden. Von den fehlenden Meldungen im PV-Meldeportal ganz zu schweigen.

Verschärft wird die Situation der Anlagenbetreiber dadurch, dass sich einige Netzbetreiber auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen. Der BGH hat nämlich einer weitreichenden Verklammerung mehrerer Anlagen das Wort geredet (Urt. v. 14.07.2020 – XIII ZR 12/19). Demnach seien mehrere Anlagen bereits dann zu verklammern, wenn sie eine gemeinsame Infrastruktur – wie beispielsweise einen Trafo oder eine Hausanschlussleitung – nutzen. Das trifft auf viele Solaranlagen zu.

Wer ist für den Zähler verantwortlich?

Doch so eindeutig, wie die Netzbetreiber es darzustellen versuchen, ist die Rechtslage nicht. Denn zum einen bezog sich das bemühte Urteile des BGH auf Windenergieanlagen, deren Anschlusssituation mit Solaranlagen nicht so einfach vergleichbar ist (siehe hierzu bereits „Neues BGH-Urteil könnte Solaranlagenbetreiber teuer zu stehen kommen“). Zum anderen verschweigen die Netzbetreiber aber auch, dass die Anlagenbetreiber gar nicht mehr für die Zähler verantwortlich sind.

Das war nicht immer so. Früher war es allein Sache der Anlagenbetreiber, dafür zu sorgen, dass der selbst erzeugte Strom ordnungsgemäß gemessen wird. Seit Mitte 2016 gilt jedoch das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Das MsbG regelt im Wesentlichen, das nach und nach alle konventionellen Zähler durch intelligente Zähler („smart meter“) ausgetauscht werden. Damit einher ging ein Paradigmenwechsel. Denn das MsbG bestimmt auch, dass „Art, Zahl und Größe“ der Zähler vom jeweiligen Messstellenbetreiber bestimmt werden. Und Messstellenbetreiber ist im Regelfall die örtliche Netzbetreiberin.

Mit Inkrafttreten des Messstellenbetriebsgesetzes ist die Verantwortung für die Zähler also von den Anlagenbetreibern auf die Netzbetreiber übergegangen. Warum sollen Anlagenbetreiber heute noch dafür grade stehen, wenn die Messung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht? Seit 2016 ist es Aufgabe der Netzbetreiberin, den Einbau der erforderlichen Zähler zu veranlassen. 

Das Landgericht Braunschweig hat einen ähnlich gelagerten Fall daher zugunsten des Anlagenbetreibers entschieden. Dort verlangte die Avacon Netz GmbH die Rückzahlung von rund 10.000 Euro EEG-Vergütung, weil zwei PV-Anlagen über einen gemeinsamen Zähler gemessen wurden. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Der Anlagenbetreiber darf die EEG-Vergütung behalten.

Betroffene Anlagenbetreiber sollten jede Rückforderung gründlich prüfen. Was zu tun ist (und was besser nicht), lesen Sie in unserem Rechtstipp „Wie Sie richtig auf die Rückforderungen Ihrer Netzbetreiber reagieren“. Lassen Sie sich im Zweifel besser frühzeitig anwaltlich beraten.

Rechtsanwalt Sebastian Lange

Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen und bundesweit tätigen PROJEKTKANZLEI. Er hat sich wie kaum ein anderer Anwalt auf Photovoltaikanlagen spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung in der juristischen Begleitung von PV-Projeken. Rechtsanwalt Lange ist zudem Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e.V.


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