Neue Regelung wendet Unheil ab: Einfache Fernsteuerbarkeit nun doch ausreichend

Anfang des Jahres sorgte eine Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs bei Netzbetreibern und Anlagenbetreibern für Unruhe: Nach Auffassung des BGH sei es nicht ausreichend, wenn Solaranlagen ab einer bestimmten Größe vom Netzbetreiber lediglich „ein“ und „aus“ geschaltet werden können (BGH, Urt. v. 14.01.2020 – Az. XIII ZR 5/19). Das Gesetz verlange vielmehr, dass die Solaranlagen für den Netzbetreiber zumindest stufenweise regelbar sein müssen. Nun hat die Bundesregierung mit dem aktuellen Gesetzentwurf zum EEG 2021 überraschend schnell eine Lösung für dieses Problem präsentiert.

Es drohten jahrelange Rechtsstreitigkeiten

Einige Netzbetreiber hatten das Urteil des BGH zum Anlass genommen zu prüfen, welche Solaranlagen in ihrem Netzbetrieb dies betreffen könnte. Mit Verweis auf die unzureichende Steuerungstechnik wurde dann von den betroffenen Anlagenbetreiber EEG-Vergütung zurückgefordert oder einbehalten.

Dieser Schuss hätte für manche Netzbetreiber allerdings nach hinten losgehen können: Denn zum Teil waren es die Netzbetreiber selbst, die den Anlagenbetreiber die betreffende Steuerungstechnik als „EEG-konform“ verkauft hatten – oder zumindest ganz genaue Vorgaben gemacht haben, welche Steuerungstechnik zu verwenden sei. Somit hatten nicht nur etliche Anlagenbetreiber eine Rückforderung der EEG-Vergütung zu befürchten. Es drohte auch jahrelanger juristischer Streit über die Frage, wer die Verantwortung für den Einbau der unzureichenden Technik trägt.

Regelungsentwurf im Gesetzentwurf zum EEG 2021

Nun hat die Bundesregierung mit dem aktuellen Gesetzentwurf zum EEG 2021 (Bundesrat-Drucksache 569/20 vom 25.09.2020) überraschend schnell eine Lösung für das Problem der Fernsteuerbarkeit präsentiert. Der Gesetzentwurf sieht nämlich unter anderem vor, dass die bisher verwendeten Steuerungs­einrichtungen für eine Übergangszeit als ausreichend betrachtet werden (vgl. § 100 Abs. 4 EEG-Entwurf). Diese Regelung soll grundsätzlich rückwirkend gelten.

„Soweit Anlagenbetreiber oder Betreiber von KWK-Anlagen nach der für ihre Anlage maßgeblichen Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verpflichtet sind, ihre Anlage mit technischen Einrichtungen auszustatten, mit denen der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren kann, muss die ferngesteuerte Reduzierung der Einspeiseleistung ab dem Einbau eines intelligenten Messsystems, spätestens aber fünf Jahre nach der Bekanntgabe nach Satz 1 über ein intelligentes Messsystem erfolgen; bis dahin gilt bei diesen Anlagen und KWK-Anlagen die Pflicht auch als erfüllt, wenn die technischen Einrichtungen nur dazu geeignet sind,

1. die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung stufenweise ferngesteuert zu reduzieren,

2. die Anlage oder die KWK-Anlage vollständig ferngesteuert abzuschalten oder

3. die Anforderungen zu erfüllen, die der Netzbetreiber dem Anlagenbetreiber oder dem Betreiber der KWK-Anlage zur Erfüllung der Pflicht vor der Inbetriebnahme der Anlage übermittelt hat.

Satz 2 ist rückwirkend anzuwenden. Ausgenommen von den Bestimmungen in den Sätzen 2 und 3 sind Fälle, in denen vor dem 1. Januar 2021 ein Rechtsstreit zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber rechtskräftig entschieden wurde.“

(§ 100 Abs. 4 des Gesetzentwurfs zum EEG 2021)

Anlagenbetreiber und Netzbetreiber dürfen sich also gleichermaßen freuen: Wegen der angeordneten Rückwirkung der neuen Regelung sind die Rechtsstreitigkeiten über die Rückforderungen der Netzbetreiber weitgehend erledigt. Ausgenommen sind lediglich jene Fälle, in denen ein Rechtsstreit zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber bereits rechtskräftig entschieden wurde.

Bislang handelt es sich bei dieser Regelung zwar „nur“ um einen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung. Das letzte Wort hat der Deutsche Bundestag. Es ist jedoch nicht zu befürchten, dass dieser Regelungsvorschlag im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen oder wesentlich geändert wird. Denn wem würde dies nützen? Vielen Netzbetreibern sicherlich nicht –.

Keine belastende Wirkung für die Netzbetreiber

In der amtlichen Begründung zu dieser Regelung findet sich übrigens eine interessante Textstelle, die sich eins zu eins auf die bekannte Problematik der Meldepflichtverletzung übertragen lässt: Denn auch bei den Meldepflichtverletzungen hat der Gesetzgeber eine rückwirkende Erleichterung für die Anlagenbetreiber erlassen. Die Netzbetreiber begründen die Anwendung der alten Sanktionsnorm (Reduzierung der EEG-Vergütung um 100 Prozent) jedoch mit dem Argument, dass der Gesetzgeber sein Gesetz nicht rückwirkend ändern könne, weil dies gegen das verfassungsrechtliche „Rückwirkungsverbot“ verstieße. 

Der Gesetzgeber selbst sieht dies offenkundig anders. Nach Auffassung der Bundesregierung belasten rückwirkende Gesetzesänderungen, die für Anlagenbetreiber begünstigend wirken, die Netzbetreiber im Ergebnis nicht (Bundesrat-Drucksache 569/20, S. 158). Denn die Netzbetreiber reichen ihre Kosten im Rahmen des EEG-Ausgleichsmechanismus weiter.

Offene Fragen

Offen bleibt allerdings, wer die Kosten trägt, die durch die noch nicht entschiedenen Rechtsstreitigkeiten bereits entstanden sind. Die Rückforderungen der Netzbetreiber sind ja schon in der Welt und haben teils Anwälte auf den Plan gerufen. Wer trägt nun diese Kosten? Möglicherweise muss also doch erst noch geklärt werden, wer für den Einbau vermeintlich unzureichender Fernsteuerungseinrichtungen verantwortlich war.

Im Übrigen offenbart auch diese Gesetzesänderung erneut ein altes Dilemma der PV-Branche: Häufig sind es nämlich erst eben jene für unantastbar erklärte Gerichtsentscheidungen, die den Gesetzgeber zu einer Gesetzesänderung veranlassen. Einzelne Anlagenbetreiber erstreiten also auf eigene Kosten mittelbar eine Gesetzesänderung, die allen Anlagenbetreibern zugutekommt – nur eben nicht ihnen selbst. Das kann auf Dauer keine Lösung sein. Hier bedarf es Vorschläge der Interessenverbände, wie sich diese Prozessrisiken möglichst auf die Allgemeinheit der Anlagenbetreiber verteilen lassen.

Rechtsanwalt Sebastian Lange

Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen und bundesweit tätigen PROJEKTKANZLEI. Er hat sich wie kaum ein anderer Anwalt auf Photovoltaikanlagen spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung in der juristischen Begleitung von PV-Projeken. Rechtsanwalt Lange ist zudem Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e.V.


Startseite