Stadtwerke Schneeberg kündigen Rückforderung der EEG-Vergütung an

Die Stadtwerke Schneeberg haben alle Solaranlagenbetreiber, die auf dem Gelände der ehemaligen Jägerkaserne eine Anlage betreiben, angeschrieben und die Rückforderung der EEG-Vergütung angekündigt. Die Stadtwerke verweisen auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 14.07.2020 – XIII ZR 12/19), wonach alle Solaranlagen auf einem Grundstück zusammen als eine einzige Solaranlage zu behandeln seien. Die betroffenen Anlagenbetreiber werden aufgefordert, einem gemeinsamen Verfahren vor der Clearingstelle zuzustimmen. Andernfalls drohe, dass die gesamte bislang ausgezahlte Vergütung zurückgefordert werden müsse.

Lesen Sie hier, was es mit der Entscheidung des BGH, auf die die Stadtwerke Schneeberg verweisen, auf sich hat: Neues Urteil könnte Solaranlagenbetreiber teuer zu stehen kommen.

Was die Stadtwerke Schneeberg verlangen

Das Schreiben der Stadtwerke traf die Betreiber der Solaranlagen in der ehemaligen Jägerkaserne völlig unerwartet: „Unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung“ seien alle Solarmodule auf dem ehemaligen Kasernengelände als „eine große Anlage“ zu betrachten. Dies – so die Stadtwerke – sehe auch die Clearingstelle EEG so, die die Stadtwerke hierzu angeblich bereits befragt hätten.

Da alle Solaranlagen auf dem ehemaligen Kasernengelände zu „einer großen Anlage“ zusammenzufassen seien, reduziere sich zum einen die EEG-Vergütung für den Strom aus allen Anlagen – rückwirkend und für die Zukunft. Daher müssten die Anlagenbetreiber die bereits erhaltene EEG-Vergütung teils wieder zurückzahlen.

„Sie werden deshalb für die Vergangenheit voraussichtlich Rückzahlungen leisten müssen und in der Zukunft nur eine niedrigere Vergütung beanspruchen können. Eine entsprechende Abrechnung werden wir Ihnen gesondert zukommen lassen.“

(Aus dem Schreiben der Stadtwerke Schneeberg)

Zum anderen würden nunmehr die technischen Anforderungen für große Anlagen gelten. Daher seien alle Gebäude „kurzfristig vorsorglich“ mit neuen Zählern und Steuerungseinrichtungen auszustatten.

Die Stadtwerke weisen darauf hin, dass sich bestimmte Fragen noch nicht rechtssicher beantworten ließen. Daher hätten sie „ein Verfahren vor der Clearingstelle beantragt“, dem die Anlagenbetreiberin allerdings zustimmen müssten. Die Kosten dieses „Einigungsverfahrens“ sollen von den Anlagenbetreibern getragen werden – einschließlich der Rechtsanwaltskosten der Stadtwerke. 

Die geforderte (anteilige) Übernahme der Rechtsanwaltskosten der Netzbetreiberin klingt dabei nicht wie eine Bitte, sondern eher wie eine Drohung: Denn gleich mehrfach wird der Eindruck erweckt, dass die Stadtwerke ohne eine Einigung vor der Clearingstelle die gesamte EEG-Vergütung zwingend zurückfordern müsse.

„Ohne eine Einigung mit der Clearingstelle greifen die gesetzlichen Sanktionen aufgrund der Nichtumsetzung der Betreiberpflichten für die Gesamtanlage. Das bedeutet, dass sich die EEG-Vergütung bis auf Null reduziert und bisherige Zahlungen seit Inbetriebnahme Ihrer Anlage zurückzuzahlen sind. Dazu sind die Netzbetreiber (leider) gesetzlich verpflichtet.“

(Aus dem Schreiben der Stadtwerke Schneeberg)

Darüber hinaus haben die Stadtwerke mitgeteilt, die monatlichen Abschlagszahlungen „bis zur Klärung der endgültigen Abrechnung“ auszusetzen. Die Anlagenbetreiber sollen also bis auf weiteres kein Geld mehr bekommen.

Wie die Forderungen der Stadtwerke Schneeberg zu bewerten sind

Das Schreiben der Stadtwerke lässt auf dem ersten Blick nichts Gutes erahnen. Bei Lichte betrachtet ist die Rechtsstellung der Anlagenbetreiber jedoch wohl deutlich weniger dramatisch, als die Stadtwerke uns glauben lassen wollen.

Rechte der Anlagenbetreiber

Dabei ist bereits fraglich, ob das Urteil des BGH, auf das die Stadtwerke verweisen, auf Solaranlagen überhaupt übertragbar ist. Denn der BGH hatte einen Fall zu entschieden, bei dem es um die Vergütung eines Windparks in einer ganz speziellen Situation geht. Um Solaranlagen ging es in dieser Entscheidung gar nicht. Und für Solaranlagen gelten naturgemäß grundsätzlich andere Maßstäbe. 

Doch selbst wenn das BGH-Urteil auch Auswirkungen auf Solaranlagen haben sollte, so folgt hieraus nicht, dass die Stadtwerke nun die gesamte EEG-Vergütung seit der Inbetriebnahme der Anlagen zurückfordern dürfen. Denn:

  • Kurze Verjährungsfrist: Das EEG sieht speziell für den Fall der Rückforderung der EEG-Vergütung eine besondere, kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren vor (§ 57 Abs. 5 Satz 3, 1. Halbsatz EEG). Zurückgefordert werden kann also maximal die Vergütung des laufenden Jahres und der beiden Vorjahre. Für die Zeit davor sind die Stadtwerke – entgegen der eigenen Darstellung – auch nicht zur Rückforderung verpflichtet; das Gesetz stellt die Netzbetreiber vielmehr insoweit ausdrücklich von der Rückforderungspflicht frei.

„Der Rückforderungsanspruch verjährt mit Ablauf des zweiten auf die Einspeisung folgenden Kalenderjahres; die Pflicht nach Satz 1 erlischt insoweit.“

(§ 57 Abs. 5 Satz 3, 2. Halbsatz EEG)
  • Einrede der bisherigen Rechtspraxis: Das EEG sieht zudem vor, dass sich Anlagenbetreiber im Falle einer Rückforderung unter Umständen darauf berufen können, dass die Zahlungen der EEG-Vergütung bis zur neuen „höchstrichterlichen Rechtsprechung“ als rechtskonform anzusehen waren (§ 57 Abs. 5 Satz 2 EEG). Ein solcher Fall dürfte auch hier vorliegen. Denn erst das aktuelle Urteil des BGH, auf das die Stadtwerke verweisen, führte dort zu der Ansicht, dass an der bisherigen Praxis, die auf entsprechende Entscheidungen der Clearingstelle beruhte, nicht mehr festgehalten werden könne.
  • Verantwortung für die Zähler liegt bei den Stadtwerken: Was den Einbau der neuen Zähler anbelangt, verkennen die Stadtwerke, dass es seit 2017 regelmäßig Aufgabe der Netzbetreiber ist, die Anzahl der erforderliche Zähler zu bestimmen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Messstellenbetriebsgesetz, § 10a EEG). Die Anlagenbetreiber haben zwar die Kosten des Zählereinbaus und der Messung zu tragen, die Verantwortung für die korrekte Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen liegt insoweit jedoch bei den Netzbetreibern. 

„Der Messstellenbetreiber bestimmt im Rahmen der Anforderungen dieses Gesetzes Art, Zahl und Größe von Mess- und Steuereinrichtungen.“

(§ 8 Abs. 1 Satz 1 Messstellenbetriebsgesetz)

Vor allem mit Blick auf diesen letzten Punkt ist nicht nachvollziehbar, warum die Anlagenbetreiber die gesamten Kosten des angestrebten Clearingstellen-Verfahrens selber tragen sollen. Da es in diesem Verfahren in erster Linie darum gehen soll, die Zählerfrage zu klären, geht es insoweit mehr um die Pflichten der Netzbetreiberin, als um eine mögliche Pflichtverletzung der Anlagenbetreiber.

Verfahren vor der Clearingstelle

Die Beteiligung der Clearingstelle kann zwar in vielen Fällen durchaus ratsam und sinnvoll sein. Es kommt jedoch entscheiden darauf an, wie das Verfahren geführt wird. 

Denn bei den Verfahren vor der Clearingstelle, an denen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber teilnehmen, geht es dem Grunde nach um widerstreitende Interessen: Die Netzbetreiber meinen, etwas verlangen zu dürfen; die Anlagenbetreiber machen geltend, warum sie dies nicht leisten müssen. Jede Partei streitet für seine eigenen Interessen und entscheidet selbst, ob und wie sie sich dabei anwaltlich vertreten lassen will.

Ein zentraler Punkt ist dabei, dass sich beide Parteien zunächst auf eine ganz konkrete Fragestellung einigen, die von der Clearingstelle beantwortet werden soll. Wie die Fragen lauten, die die Stadtwerke Schneeberg der Clearingstelle vorlegen wollen, geht aus dem Schreiben der Stadtwerke jedoch gar nicht hervor.

Darüber hinaus scheint auch die ins Auge gefasste Verfahrensart nicht unbedingt geeignet, die erhoffte „notwendige Rechtssicherheit“ zu bringen. Denn das „Einigungsverfahren“ ist im Wesentlichen eine Art Mediationsverfahren: Die Clearingstelle vermittelt lediglich zwischen den beiden Parteien, trifft jedoch keine eigene Entscheidung.

Das führt zu der Frage, wer denn im Verfahren vor der Clearingstelle eigentlich die Interessen der Anlagenbetreiber vertreten soll. Die Stadtwerke selbst können dies offenkundig nicht sein. Denn sonst würden Sie in ihrem Schreiben nicht verschweigen, welche Rechte die Anlagenbetreiber geltend machen können. Und auch die von den Stadtwerken beauftragte Rechtsanwaltskanzlei kann selbstverständlich nicht beide Parteien gleichzeitig vertreten – auch wenn deren Rechnung am Ende von den Anlagenbetreibern bezahlt werden soll.

Was den betroffene Anlagenbetreibern zu raten ist

Als betroffener Anlagenbetreiber sollten Sie sich daher sehr gut überlegen, ob Sie das „Antwortformular“ der Stadtwerke tatsächlich unterscheiben wollen. Sollten Sie bereits gemacht haben, dann könnten Sie prüfen, ob Sie diese Erklärung möglicherweise widerrufen können. Denn Sie verpflichten sich damit unter anderem, den Stadtwerken deren eigenen Rechtsanwaltskosten anteilig – bis maximal 350,- € netto – zu erstatten. Warum sollten Sie dies tun? 

Wichtig zu beachten: Bei den genannten Rechten der Anlagenbetreiber handelt es sich um sogenannte Einreden. Das heißt: Sie müssen diese Rechte in der Regel ausdrücklich geltend machen. Verlassen Sie sich bitte nicht vorschnelll darauf, dass die Stadtwerke schon alles in Ihrem Sinne regeln werden. Hier müssen Sie selbst aktiv werden, um später nicht das Nachsehen zu haben.

Rechtsanwalt Sebastian Lange

Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen und bundesweit tätigen PROJEKTKANZLEI. Er hat sich wie kaum ein anderer Anwalt auf Photovoltaikanlagen spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung in der juristischen Begleitung von PV-Projeken. Rechtsanwalt Lange ist zudem Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e.V.


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