Avacon Netz: Rückforderung der EEG-Vergütung wegen gemeinsamer Messung

Die Avacon Netz GmbH mit Sitz in Helmstedt verlangt von einem Solaranlagenbetreiber nahezu die gesamte EEG-Vergütung für zweieinhalb Jahre zurück. Der Grund: Der Anlagenbetreiber hat zwei PV-Anlagen, die bislang über einen gemeinsamen Zähler gemessen wurden. Das sei nicht zulässig gewesen, meint die Netzbetreiberin.

Der Sachverhalt

Der betroffene Anlagenbetreiber hat in 2011 seine erste PV-Anlage mit rund 10 kWp auf dem Dach seiner Scheune errichten lassen und in Betrieb genommen. Knapp ein Jahr später – im April 2012 – ließ er eine zweite PV-Anlage auf dem Dach seines Wohnhauses errichten. Auch die zweite PV-Anlage hat eine installierte Leistung von rund 10 kWp.

Die Stromerzeugung beider Anlagen wurde seit jeher über einen gemeinsamen Zähler gemessen und entsprechend abgerechnet. Da für beide Anlagen unterschiedliche Vergütungssätze gelten, wurde die Gesamtstrommenge rechnerisch auf beide Anlagen aufgeteilt und dann mit dem jeweiligen Vergütungssatz multipliziert. Soweit, so gut.

Im Sommer 2019 – also gut sieben Jahre nach der Inbetriebnahme der zweiten Anlage – fällt der Avacon Netz GmbH auf, dass die zweite PV-Anlage einen eigenen Zähler benötige und dass eine gemeinsame Messung unzulässig sei. Sie fordert daher vom Anlagenbetreiber nahezu die gesamte EEG-Vergütung der Jahre 2017 und 2018 zurück; für das laufende Jahr 2019 solle die Korrektur über die Jahresschlussrechnung erfolgen. Insgesamt soll der Anlagenbetreiber gut 12.000 € zurückzahlen.

Wenn Sie ebenfalls eine PV-Anlage betreiben, die zwischen dem 01.04.2012 und dem 31.07.2014 in Betrieb genommen wurde, und daneben noch eine weitere PV-Anlage haben, sollten Sie prüfen, ob beide Anlagen über einen eigenen Zähler verfügen.

Die Rechtslage

Auch wenn die Netzbetreiber uns hier wieder einmal etwas anderes glauben lassen will: Die Rechtslage ist alles andere als eindeutig. Und auch dieser Fall zeigt wieder einmal die Tücken und Fallstricke des EEG auf, die an der Sinnhaftigkeit mancher Regelungen zweifeln lassen. Aber der Reihe nach:

Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob der Strom aus den beiden PV-Anlagen mit einer gemeinsame Messeinrichtung gemessen werden darf oder ob jede PV-Anlage über eine eigene Messeinrichtung verfügen muss. In der geltenden Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) findet sich auf diese Frage eine eindeutige Antwort. Demnach wäre die Messung der beiden PV-Anlagen meines Mandanten über einen gemeinsamen Zähler durchaus zulässig.

„Anlagenbetreiber können Strom aus mehreren Anlagen, die gleichartige erneuerbare Energien oder Grubengas einsetzen, über eine gemeinsame Messeinrichtung abrechnen. In diesem Fall […] erfolgt die Zuordnung der Strommengen im Verhältnis zu der installierten Leistung der Anlagen.“

(§ 24 Abs. 3 EEG)

Eine ähnliche Regelung gab es auch früher schon einmal. Allerdings enthielt das EEG zeitweilig mitunter die gegenteilige Regelung, dass eine gemeinsame Messung unter bestimmten Umständen nicht zulässig sein soll. Und auf eben jene Regelung beruft sich in diesem Fall auch die Netzbetreiberin:„Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber dürfen Strom aus einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungs­energie nur mit Strom aus anderen Anlagen über eine gemeinsame Messeinrichtung abrechnen, soweit alle Anlagen jeweils derselben Begrenzung der vergütungsfähigen Strommenge nach Absatz 1 Satz 1 unterliegen. Bei Verstößen gegen Satz 1 verringert sich der Vergütungsanspruch für den gesamten Strom, der über die gemeinsame Messeinrichtung abgerechnet wird, auf den Wert ‚MWSolar(a)‘; dies gilt bis zum Ablauf des ersten Kalendermonats, der auf die Beendigung des Verstoßes folgt.“

(§ 32 Abs. 4 EEG 2012)

Das Absurde hieran:

  • Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber erst im August 2012 beschlossen, sollte dann aber rückwirkend ab dem 01.04.2012 gelten. Als der hier betroffene Anlagenbetreiber seine zweite PV-Anlage am 27.04.2012 in Betrieb genommen hatte, war die Messung beider Anlagen über eine gemeinsame Messeinrichtung noch nicht zu beanstanden und „die Welt noch in Ordnung“. Er hätte seine zweite PV-Anlage also erst nach der Gesetzesänderung im August 2012 mit einem zusätzlichen Zähler nachrüsten lassen müssen.
  • In der Gesetzesbegründung wird die Pflicht zur getrennten Messung damit begründet, dass es dem Netzbetreiber andernfalls nicht möglich wäre, beide Anlagen korrekt abzurechnen. Die Avacon Netz hat in diesem Fall jedoch genau das Gegenteil bewiesen: dass nämlich eine rechnerische Aufteilung der Strommengen sehr wohl ohne Weiteres möglich ist. Es ist auch nicht zu erkennen, dass beim Einsatz eines zweiten Zählers ein anderes Ergebnis herausgekommen wäre, zumal beide Anlagen auf benachbarten Grundstücken betrieben werden, gleich ausgerichtet und auch im Übrigen nahezu identisch sind.
  • Sowohl nach früherer, als auch nach geltender Rechtslage ist eine gemeinsame Messung mehrerer Anlagen ausdrücklich zulässig. Dabei nimmt der Gesetzgeber auch eine gewissen Unschärfe in Kauf. Den alten § 32 Abs. 4 EEG 2012 gibt es heute nicht mehr, er wurde bereits zum 01.08.2014 wieder gestrichen. Die Sanktion der entsprechenden Pflichtverstöße soll jedoch heute noch gelten – und zwar auch für die Zeit nach dem 01.08.2014. Der Anlagenbetreiber soll hier also noch für etwas bestraft werden, was der Gesetzgeber (wieder) nicht mehr für erforderlich ansieht.
  • Damit nicht genug: Die Sanktion soll hier sogar die erste PV-Anlage erfassen, die für sich genommen zu keiner Zeit separat zu messen gewesen wäre. Auch dies leuchtet nicht ein.
Rechtsstreit mit Netzbetreiber

Wie geht es weiter?

Die Sache ist noch nicht ausgestanden. Der Anlagenbetreiber akzeptiert die Rückforderung nicht. Wenn sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen, wird die Sache wohl gerichtlich geklärt werden müssen.

Zu wünschen wäre, dass der Gesetzgeber den Fallstrick des alten § 32 Abs. 4 EEG 2012 endgültig beseitigt und diese Sanktion vollständig streicht. Die Pflicht zur getrennten Messung ist schon für sich genommen nicht erforderlich gewesen. Desto weniger macht es Sinn, etwaige Pflichtverstöße gegen diese längst außer Kraft Gesetze Norm heute noch zu sanktionieren.

Rechtsanwalt Sebastian Lange

Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen und bundesweit tätigen PROJEKTKANZLEI. Er hat sich wie kaum ein anderer Anwalt auf Photovoltaikanlagen spezialisiert und verfügt über langjährige Erfahrung in der juristischen Begleitung von PV-Projeken. Rechtsanwalt Lange ist zudem Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e.V.


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